Angaben zu Autorin/Autor: | Erich Fromm, Psychoanalytiker und Seinen größten literarischen Erfolg hatte Erich Fromm mit „Die Kunst des Liebens“ (1956) – das Buch wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und erreichte Millionenauflagen. Das Menschenbild, von dem Fromm ausgeht, ist inspiriert durch die Erkenntnisse von Karl Marx und Sigmund Freud, doch seine tieferen Ursprünge scheinen in der Bibel zu liegen. So ist er in der Geschichte der Psychoanalyse zugleich Schöpfer einer soziologischen Psychoanalyse wie auch einer religiös fundierten psychoanalytischen Anthropologie. Am 23. März 1900 wird Erich Fromm in Frankfurt/Main als Kind orthodox-jüdischer Eltern geboren. Beide Eltern entstammen rabbinischen Familien; vor allem auf der Seite des Vaters gab es berühmte Schriftgelehrte. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und die damit verbundene Entfesselung nationaler und sadistischer Leidenschaften lassen den Vierzehnjährigen erstmals Skepsis gegenüber staatlichen Autoritäten empfinden. Nach einem Studium der Soziologie regt seine erste Ehefrau, die Psychoanalytikerin Frieda Reichmann, ihn an, eine psychoanalytische Ausbildung zu absolvieren. 1930 wird er unter Max Horkheimer Mitglied des Frankfurter Instituts für Sozialforschung: Wie diesem geht es Fromm darum, Psychoanalyse und Marxismus in Einklang zu bringen. Damit reiht er sich ein in die Gruppe der „Freudomarxisten“, zu denen etwa Wilhelm Reich, Otto Fenichel und Siegfried Bernfeld gehören. 1941 erscheint in den USA Fromms Buch „Die Furcht vor der Freiheit“. Es versucht eine Antwort auf die Frage, warum totalitäre Ideologien und Bewegungen wie Faschismus und Bolschewismus auf die Menschen des 20. Jahrhunderts eine derartige Anziehungskraft ausüben: Um sich über das Gefühl seiner Bedeutungslosigkeit in einer ungeheuren Maschinerie hinwegzutäuschen, greift das Individuum zu „Fluchtmechanismen“, die den Sinn haben, Angst und Isolierung zuzudecken. Fromm beschreibt drei Fluchtmechanismen: „autoritäre Tendenzen“, „Zerstörungstrieb“ und „automatische Anpassung“. In allen drei Fällen besteht die Crux darin, dass eine „Freiheit von“ nicht durch eine Sinn stiftende „Freiheit zu“ ergänzt wird. Im Gegensatz zu Freud erkennt Fromm keinen biologischen „Todestrieb“ an: „Der Trieb zum Leben und der Trieb zur Zerstörung sind nicht voneinander unabhängig, sondern stehen zueinander in umgekehrtem Verhältnis: Je mehr der Lebenstrieb durchkreuzt und unterbunden wird, umso stärker der Trieb der Zerstörung. Je mehr sich das menschliche Dasein entfalten kann, umso geringer die Kraft der Zerstörung und umso seltener. Der Zerstörungstrieb ist die Folge des ungelebten Lebens.“ In „Psychoanalyse und Ethik“ (1947) leistet Fromm Pionierarbeit für die Psychoanalyse – hatte Freud doch behauptet, dass seine Tiefenpsychologie keinen Bedarf an ethischen Untersuchungen habe. Demgegenüber ist Fromm der Meinung, dass eine humanistische Ethik die Grundlage jeder psychoanalytischen Praxis sein müsste. In Anlehnung an Aristoteles, Spinoza und John Dewey empfiehlt humanistische Ethik dem Menschen vor allem, sich autonom und kraftvoll zu entwickeln. Im Gegensatz zur autoritären Ethik, die menschliches Gutsein ständig durch das „immanente Böse“ bedroht sieht, sagt Fromm: „(. . .) so gewinnt ein Mensch, der sich seiner eigenen Kräfte bewusst ist und sie produktiv verwendet, an Stärke, Glauben und Glück. (. . .) Das Erlebnis von Freude und Glück ist nicht nur (. . .) das Ergebnis eines produktiven Lebens, sondern auch dessen Stimulans.“ „Anatomie der menschlichen Destruktivität“, Fromms letztes großes Werk, erscheint 1973: die Summe eines gelehrten Lebens, das von Anfang an auf interdisziplinäre Forschung ausgerichtet ist. Im Unterschied zu Freud und Konrad Lorenz ist es laut Fromm nicht nötig, einen „natürlichen Aggressionstrieb“ anzunehmen. Es genüge vielmehr, die Aggression zu den „Möglichkeiten“ des Menschen zu zählen und die Bedingungen herauszuarbeiten, unter denen sie exzessive Ausprägung erfährt. Allen konnte Fromm es nicht rechtmachen. Die Marxisten warfen ihm vor, er habe den Marxismus psychoanalytisch verwässert, und die Analytiker waren nicht begeistert, dass er sie mit politischen oder gar revolutionären Erwägungen behelligte. Nach Lehrtätigkeiten in den USA und in Mexiko wird Erich Fromm 1974 mit seiner dritten Ehefrau in Locarno/Schweiz ansässig. Hier ist er am 18. März 1980 fünf Tage vor seinem 80. Geburtstag gestorben.
Christof Goddemeier, Deutsches Ärzteblatt |