| Autor: | Burroughs, William S. | Titel: | Gesammelte Werke, Bd. I | Verlag: | Zweitausendeins | Ort: | Ffm. | Jahr: | 1978 | Auflage: | 1. | Signatur: | B 044 | Link: | | Reihe/Untertitel: | übersetzt und herausgegeben von Carl Weissner; enthät: Junkie, Auf der Suche nach Yage, Naked Lunch, Nova Express | Aufstellung: | Belletristik | Biographie aufgestellt unter: | | Suchgebiet: | Belletristik | Erstauflage: | | dt. Erstauflage: | | ISBN: | ohne | Bemerkungen: | | Originaltitel: | | Verlagsangaben: | | Angaben zu Autorin/Autor: | "Schon als Kind wollte ich Schriftsteller werden, weil Schriftsteller reich und berühmt sind. Sie lungern in Singapur und Rangun herum und rauchen Opium in gelben Rohseidenanzügen. Sie schnupfen Kokain in Mayfair und dringen mit einem treuergebenen Eingeborenen-Boy in verbotene Sümpfe vor, wohnen im Eingeborenenviertel von Tanger, rauchen Haschisch und streicheln träge eine zahme Gazelle."
William Seward Burroughs ("Bill") wurde am 05.02.1914 in St. Louis, Missouri, geboren. Mit seinen Eltern Mortimer und Laura Burroughs und seinem Bruder Mortimer jr. wohnte er in einem zweistöckigen Backsteinhaus in der 4664 Pershing Avenue . Sein Großvater William Seward Burroughs I., nach dem Bill benannt wurde, erfand die erste über Tasten zu bedienende Rechenmaschine und ließ sie sich 1888 patentieren. Seine Eltern waren gut situiert und kamen somit in den Genuß aller Annehmlichkeiten einer großbürgerlichen Existenz wie Dienstboten (Haus- und Kindermädchen, Gärtner und Koch) und eine Sommerresidenz am Lake Huron. Trotzdem blieb ihre gesellschaftliche Stellung zweifelhaft und es reichte auch nicht für eine Mitgliedschaft im Country Club der Stadt. Seine Eltern scheinen ein treues und glückliches Paar gewesen zu sein, aber in der Familie wurde Gefühle nicht sehr offen gezeigt. Vater Mortimer ist trotz der freundlichen Fassade sehr oft sehr schweigsam und undurchdringlich. Doch er zeigte aufrichtiges Interesse an seinen Söhnen und tat im kleinen Rahmen ständig etwas Gutes. Er verbot Billy zwar die Werkstatt im Keller, zeigte ihm aber schon sehr früh den Umgang mit Waffen und nahm ihn mit zur Jagd. Außerdem förderte er die verbalen Talente seines Sohns durch Vorlesen und die Forderung, jeden Tag fünf neue Wörter zu benutzen. Seine Mutter liebt Billy, ihren Favoriten, hingebungsvoll und schätzte auch seine sonderbaren Streiche. Selbst nachdem sie ihren Sohn mehrmals aus Problemen mit dem Gesetz herausgepaukt hatte, konnte sie noch lachend sagen: "Er ist einfach der komischste Mensch, den ich kenne."
"Das Wesen meiner Mutter war rätselhaft und komplex. Manchmal alt und wissend, zumeist mit ängstlichen Ausdruck nahenden Unheils und Traurigkeit, litt sie an Kopf- und Rückenschmerzen, besaß extreme übersinnliche Kräfte und war an der Magie interessiert. Eines Nachts träumte sie, mein Bruder Mort stünde an der Tür, sein Gesicht blutüberströmt, und sagte: Mutter, wir haben einen Unfall gehabt. Genau in diesem Augenblick war Mort in einen Autounfall verwickelt und trug ein paar harmlose Schnittwunden davon."
Mort, sein älterer Bruder, schlägt nach dem Vater. Er ist von gedrungener Statur, wirkt gesund und kräftig. Bill dagegen ist dünn, bleich, sieht eher seiner Mutter ähnlich und wird rasch zu schwarzen Schaf der Familie. Als Kind spielte er lieber unter der dunklen Hintertreppe des Hauses, statt im sonnigen Garten.
"Meine frühesten Erinnerungen waren von der Angst vor Alpträumen geprägt. Ich hatte Angst, allein zu sein, hatte Angst vor Dunkelheit und hatte Angst vorm Schlafengehen, wegen der Träume, in denen ein übernatürlicher Horror immer kurz davor zu sein schien, leibhaftig zu werden. Ich hatte Angst, daß, eines Tages, wenn ich aufwachte, der Traum immer noch da sein würde. Ich erinnere mich daran, wie ich ein Dienstmädchen über Opium reden hörte, wie einem das Opiumrauchen süße Träume schenkte, und ich sagte mir: Wenn ich groß bin, werde ich Opium rauchen. Als Kind war ich anfällig für Halluzinationen. Einst wachte ich im Morgendämmern auf und sah kleine Männchen in einem Blockhaus spielen, daß ich gebaut hatte. Ich verspürte keine Angst, nur ein Gefühl der Ruhe und Verwunderung. Eine andere wiederkehrende Halluzination oder Alptraum handelte von `Tieren in der Wand´ und setzte mit dem Delirium einer unerkannten Fiebererkrankung ein, die ich im Alter von vier oder fünf hatte. Anderen Kindern gegenüber war ich schüchtern, und ich hatte Angst vor körperlicher Gewalt. Eine aggressive kleine Lesbe zog mich jedesmal, wenn sie mich sah, an den Haaren."
Gefährlich wurde in dieser Familie, in der zwischen den Eltern nie ein lautes Wort fiel und zum Teil ein eher frostig-formelles Klima herrscht, der Einfluß zweier Frauen, denen etwas unheimliches anhaftete. Die alte irische Köchin, die Burroughs retrospektiv mit einer der Hexes aus Macbeth vergleichen wird. Sie bringt Bill einige unheimliche Verse und Praktiken der Magie bei, beispielsweise einen Ruf, um Kröten anzulocken, oder einen Zauber, um jemanden das Augenlicht zu nehmen. Und das walisische Kindermädchen Mary Evans, die Bill eines Tages, er muß vier oder fünf Jahre als gewesen sein, gemeinsam mit ihrem Liebhaber auf einen Ausflug mitnahm. An das was an diesem Tag geschah, versuchte er sich Jahre später mit Hilfe von Hypnose und Psychoanalyse zu erinnern. Alles was herauskam, waren unzusammenhängende Bilder: das lächelnde Gesicht des Liebhabers, seine heruntergelassene Hose, das Zureden des Kindermädchens, das Gefühl gestoßen zu werden, der Schmerzensschrei des Liebhabers. So bleibt die Mutmaßung, daß Mary Evans das Kind veranlaßt hatte, mit ihrem Freund sexuell zu verkehren. Seinen Eltern erzählt er nichts, aber er das Gefühl, daß da etwas Schreckliches passiert war, ließ ihn nie wieder los. Das Kindermädchen ging ziemlich überstürzt nach England zurück.
"Mein erster literarischer Versuch war überschrieben mit ´The Autobiography of a Wolf`. Die Leute lachten darüber und sagten: `Du meinst die Biographie eines Wolfs.` Nein, ich meine die Autobiographie, und dabei bleibe ich. Ich war mir ziemlich sicher, daß ich Schriftsteller werden wollte, als ich acht war. "
Für Nachbarn und Mitschüler war Bill ein merkwürdiges Kind mit schlechtem Einfluß. Seine verschlossene Art, das blasse Gesicht und sein unsportlicher Körperbau machten ihn zum Außenseiter. "Der Knabe sieht aus wie eine wandelnde Leiche", bemerkte der Vater eines Mitschülers und ein anderer: "Der Junge sieht aus wie ein Schafe reißender Hund." Die unsichere soziale Position seiner Familie macht die Situation nicht einfacher. Die Türsteher in den Häusern seiner wenigen Spielgefährten wollen ihn nicht hereinlassen. Wenn ein in einem Geschäft etwas kauft, wird ihm das Wechselgeld wortlos zugeschoben.
1926 ziehen seine Eltern um in die Price Road, in ein Haus in der Vorstadt mit fünf Morgen Land. "Meine Eltern beschlossen, von den Leuten wegzukommen. Sie kauften ein geräumiges Haus mit Land und Wald und einem Fischteich, wo es Eichhörnchen statt Ratten gab. Dort lebten sie wie in einer komfortablen Kapsel mit einem wunderschönen Garten und ohne jeden Kontakt zum Leben in der Stadt."
Mit 13 Jahren stößt er auf ein Buch, das einen nachhaltigen Einfluß auf seine Wünsche und Lebensentwürfe haben sollte: "You Can`t Win" von einem Autor, der sich Jack Black nennt und den jungen William Burroughs in die Welt eines drogensüchtigen Diebes und Wanderarbeiters führte. Die Memoiren auf den Seiten zwischen dem roten Karton der Deckel nannte er seine "rote Bibel" und fand darin einen Kanon von Außenseiterwerten, die ihm authentischer schienen als Heuchlertum des Country-Club-Set von St. Louis. Natürlich romantisierte der Junge das kriminelle Milieu und um es in der Realität kennenzulernen, wird er sich in späteren Jahren immer in Abenteuer stürzen, der Gefährlichkeit er mit seinem scharfen analytischen Verstand zweifellos abzuschätzen vermochte.
Burroughs war sich sicher, bereits mit homosexuellen Gefühlen auf die Welt gekommen zu sein. 1929 verliebt er sich in Kells Elvins, Sohn eines ehemaligen Kongreßabgeordneten und Rechtsanwaltes. Kells ist das genaue Gegenteil von Bill: sportlich, populär und ein großer Frauenheld. Jemand, der Genugtuung verspürt, Frauen zu verführen, ohne sie eigentlich zu mögen, dem es große Lust bereitet, sie zu demütigen. Ein Lehrer, der die Freundschaft der beiden Jungen beobachtet, meint zu Bill: "Du bist ja sein Sklave." Doch das Verhältnis der beiden zueinander bleibt ein lebenlang bestehen und ihre Wege sollten sich immer wieder kreuzen.
Der Jugendliche ist auch ein sehr guter Schauspieler. Mit seiner ausgeprägten Phantasie versetzt er sich in die Persönlichkeiten fiktiver Charaktere, vorzugsweise Diebe, Drogenabhängige, Piraten, zwielichtige Typen und dekadente Schriftsteller in Seidenanzügen. Auch in seinen frühen Kurzgeschichten gibt es jede Menge abgetrennte Körperteile, unter Zwang verabreichte Marihuana-Injektionen, blutüberströmte Leichen und ominöse Wahrsager. Sein erstes veröffentlichtes Werk, Billy war gerade fünfzehn Jahre alt, trug den Titel "Persönlicher Magnetismus" und erschien in der Schulzeitung:
"Ist es mir nun gelungen, andere mit nichts als dem Blick zu kontrollieren? Oh, gewiß doch, aber ich hatte nicht den Mut, es auch wirklich zu tun. Aber hier will ich erklären, wie man es macht: Man muß dem Opfer geradewegs in die Augen schauen und mit tiefer, ernster Stimme sagen: `Ich rede, und du hast zuzuhören´, dann muß man den Blick noch intensivieren: `Du kannst mir nicht entkommen.´ Nachdem ich mein Opfer völlig unterworfen hatte, hätte ich sagen sollen: `Du kannst mir nicht entkommen. Hebe dich hinweg von mir, Satan.´ Man stelle sich vor, ich hätte das mit Mr. Baker gemacht."
Im Sommer 1929 wechselt er aus gesundheitlichen Gründen (er leidet an ernsten Nebenhöhlenbeschwerden) auf die Los Almos Ranch School in New Mexico. Sein Zimmer in der Schule gleicht dem Salon einer Madame in einem Bordell. Parfümwolken zogen durch die Luft, ständig brannten Räucherstäbchen und aus dem Grammophon erklang der Bolero von Ravel. Ihm kommt die Schule vom ersten Tag an wie ein Gefängnis vor. Das einzige, was ihm hier gefällt ist der Schießplatz.
Mit 16 geht Bill in einen Drugstore und verlangt Chlorhydrat. Der Apotheker fragt, wofür er die Chemikalie brauche und Billy antwortet ihm mit Grabesstimme: "Um Selbstmord zu begehen." Der Apotheker hält das natürlich für einen Witz und händigt ihm das Gewünschte aus. Zwei Tage später nimmt der Junge eine Dosis, die auch zu seinem Tod hätte führen können. Zum Glück wird das Schulpersonal auf ihn aufmerksam und ihm wird der Magen ausgepumpt. Obwohl der Schuldirektor den besorgten Eltern versichert, daß so etwas bestimmt nie wieder geschehen wird, war es genau die Art experimenteller Selbstmedikation, die er sein Leben lang in vielen Variationen wiederholen sollte.
Während seiner letzten Highschool-Jahre entwickelte er eine starke und ritualisierte Wechselbeziehung zwischen dem Schreiben und seinem homosexuellen Verlangen. Seine homosexuellen Phantasien wurden beim Schreiben "abgeführt", wie der Samen bei der Masturbation; sein Tagebuch wurde zum Beichtstuhl. Billy verliebte sich erneut in einen Mitschüler, Danny Franklin. In der ersten Zeit sind sie oft zusammen und ein paarmal treiben sie es unter dem Laken, doch bald schon findet Danny keinen Spaß mir daran oder sein Gewissen meldet sich zu Wort. Er wendet sich von Bill ab und verspottet ihn sogar vor den anderen Schülern.
"Ich entwickelte eine romantische Zuneigung zu einem der Jungen in Los Alamos, und wir verbrachten viel Zeit gemeinsam mit Radfahren, Angeln und dem Erkunden verlassener Steinbrüche. Ich schrieb Tagebuch über `unsere Beziehung´. Ich war 16 und hatte gerade Dorian Gray gelesen... Sogar heute noch werde ich rot, wenn ich mich an den Inhalt dieses grimoire erinnere; es hat mich jahrelang vom Schreiben abgehalten."
Am 09.April 1930, zwei Monate vor der Abschlußprüfung, kommt seine Mutter zu Besuch und er erklärt ihr, daß er unmöglich länger auf der Schule bleiben könne. Nach einigem Zögern gesteht er den wahren Grund. Sie ist sehr entsetzt, denn in dieser Zeit und gerade in den Augen der Gesellschaftsschicht aus der sie stammt, eine Ungeheuerlichkeit, über die man noch nicht einmal spricht. Überstürzt reisen sie gemeinsam ab und Bill verbrennt seine Tagebücher, aus Angst, die anderen Schüler könnten sie lesen und von seiner abweichenden Sexualität erfahren.
Im September 1932 immatrikulierte sich Burroughs am Harvard College in Cambridge, Massachusetts.
"Ich studierte Englisch als Hauptfach, weil mir das Interesse für irgendein anderes Fach fehlte. Ich haßte die Universität, und ich haßte die Stadt, in der sie war. Alles dort war einfach nur tot. Die Universität war englischen Vorbildern nachempfunden und wurde von Absolventen imitierter englischer Eliteschulen geleitet. Ich war einsam. Ich kannte niemanden, und Fremde wurden vom geschlossenen Kreis der Erwünschten mit Widerwillen betrachtet. Kein Mensch in Harvard lud mich ein, einem Club beizutreten. Sie konnten mich nicht ausstehen. Und als ich versuchte mit einem Schreiben meines Onkels dem OSS (Office of Strategie Services, militärischer Geheimdienst und Vorläufer des CIA) unter Bill Donovan beizutreten, begegnete ich, als dem Entscheidungsträger, einem Professor, der dem Haus vorstand, in dem ich in Harvard gewohnt hatte, und der mich erst recht nicht ausstehen konnte. Und als ich später dem American Field Service beizutreten versuchte, sagt doch diese Rotznase von einem jungen englischen Schulkrawattentypen:`Oh, äh, übrigens, Burroughs, welches waren doch gleich Ihre Clubs in Harvard? Was, keine Clubs?´ Er wird weiß wie eine Wand. `Und welches war Ihr Haus?´ Ich nenne ein wenig populäres Haus. `Wir werden Ihre Bewerbung prüfen...´ "
Anstatt am Campusleben teilzunehmen, verkriecht er sich lieber in sein Zimmer, in dem er sich ein Frettchen namens Sredni Vashtar (benannt nach dem Frettchen in einer Kurzgeschichte von Saki, das darauf abgerichtet war, ein despotisches Kindermädchen zu töten) hält und wo er seinen geliebten Revolver vom Kaliber 32 im Schreibtisch versteckt hat. Langsam fand sich um Burroughs ein Zirkel von Gleichgesinnten zusammen, doch selbst diese Freunde betraten sein Zimmer mit Vorsicht. Einmal schoß er seinem Freund versehentlich fast in den Bauch, als er mit seiner Waffe spielte und sicher war, sie sei nicht geladen. Der Schuß ging in die Wand.
Da er sich nicht getraut hat, Kontakte zu anderen Homosexuellen aufzunehmen, bleibt er sexuell frustriert und erstaunlich naiv. Er war noch immer der Annahme, Baby kämen durch den Nabel der Frau zur Welt. Erst im Abschlußjahr sucht er in den Schulferien ein Bordell in St. Louis auf und läßt sich immer von dem gleichen Mädchen bedienen.
Im Juni 1936 legt Bill in Harvard sein Abschlußexamen ab. Als Belohnung erhält er von seinen Eltern eine Europareise und einen monatlichen Scheck von 200 Dollar, die er dann noch 25 Jahre weiter Jahre lang überwiesen bekommen sollte. Die Reise tritt gemeinsam mit seinem Freund, Bob Miller, an. In Europa erwartete ihn eine recht düstere Stimmung, denn in Österreich marschierten schon die Braunhemden. Im Römischen Bad und in den Strandbädern an der Donau bewundert er die schönen jungen Männer, in Budapest übernachten sie im Hotel König, einem Haus, in dem Frauen unerwünscht sind.
Im Herbst 1936 zieht es ihn zurück nach Wien, wo er Medizin studieren wollte, um Psychoanalytiker zu werden. Als sich Österreich zunehmend mit Nazis füllt, plant er seine Rückreise in die USA. In Jugoslawien hatte er die 35jährige Jüdin Ilse Klapper (geb.Hertzfeld) kennengelernt. Der Kriegsgefahr in Europa wächst. Im Juli 1937 heiratete Burroughs Ilse. Die Scheinehe hat für beide ihre Vorteile. Bill wird die Tatsache, daß er verheiratet ist, vor möglichen Schwierigkeiten als Homosexueller schützen und Ilse wird amerikanische Staatsbürgerin und entging somit der weiteren Verfolgung durch die Nationalsozialisten.
Ilse zieht nach kurz nach der Hochzeit nach New York und bittet entgegen der Befürchtungen von Mortimer und Laura nicht einmal um Geld. Burroughs ließ sich erst später von ihr scheiden, als es bereits eine zweite Mrs. Burroughs gab. Bill zieht zu Kells Elvins nach Harvard, wo der in einem kleinen Haus wohnt. Das glückliche Zusammenleben mit Kells bringt ihn wieder zum Schreiben. Die beiden verfassen eine groteske Geschichte über den Untergang der Titanic und schicken ihn an den Esquire. Die Redaktion lehnt den Text ab. Diesmal sollten sechs Jahre vergehen, ehe Burroughs wieder schreibt.
Ende 1939 verliebt er sich in einen 25jährigen schönen Büroboten namens Jack Anderson, der sich nach Feierabend an Männer und Frauen prostituierte und intellektuell eher anspruchslos war. Burroughs litt unter den lukrativen Seitensprüngen seines so geliebten Jack und um ihm die Intensität seiner Gefühle zu beweisen, kaufte er sich für 2 Dollar und 71 Cent eine Geflügelschere aus rostfreiem Stahl und schnitt sich die Spitze des kleinen Fingers der linken Hand ab. Sein Psychiater weist ihn in die psychiatrische Klinik Bellevue ein und diagnostiziert ihn als schizophren- paranoiden Fall. Bills Vater kommt nach New York und veranlaßt die Überweisung in eine Privatklinik.
Im September 1942 zieht Burroughs nach Chicago (North Side) und fühlt sich dort sofort erinnert an das Lieblingsbuch seiner Jugend "You can´t win". In dem verrufenen Viertel sind Taschendiebe, Spieler, Verlierer, Gauner und ehemalige Häftlinge zu Hause. Er geht zu Würfelspielen, trägt immer eine Waffe bei sich und fühlt sich dazugehörig, auch wenn aus seinen Wunschträumen von Überfällen und ausgeklügelten Raubzügen in Wirklichkeit nichts wird. Acht Monate lang arbeitet er bei einem Kammerjäger und erfreut sich an den Besichtigungen der unterschiedlichsten Wohnungen und den merkwürdigen und interessanten Leuten, denen er bei seinem Job begegnet.
In diesem Herbst tauchen David Kammerer und der achtzehnjährige Lucien Carr bei ihm auf und er ging mit dem beiden im Frühjahr 1943 zurück nach New York. Dort wird er soetwas, wie ein literarischer Guru der jungen Männer und Frauen. Von seinen Eltern erhält er noch immer die 200 Dollar im Monat und verdient sich manchmal als Barkeeper in einem zwielichtigen Restaurant am Time Square was dazu.
Kurz nach Weihnachten 1943 lernt Burroughs über Kammerer in der U-Bahn nach Greenwich Village den 17jährigen Allen Ginsberg kennen, der von dem 29jährigen Bill sehr beeindruckt war. Jack Kerouac begegnete er das erste Mal im Februar 1944, als Kammerer ihn in Kerouacs Zimmer brachte. Bill wollte einige Informationen über die Handelmarine und stellte Jack einige Fragen. Sowohl Allen, als auch Jack fühlen sich bald sehr anzogen von dem, in ihren Augen "intelligentesten Menschen der Welt". Über Jack Freundin Edie machte Burroughs die Bekanntschaft mit Joan Vollmers.
Am 13.August 1944 ersticht Lucien Carr seinen penetranten Verehrer David Kammerer bei einer Auseinandersetzung im Riverside Park mit einem Messer und stößt die Leiche in den Fluß. Sein erster Weg führt zu Bill, der ihm im Bademantel die Tür öffnet. Carr erzählt, was er geschehen ist und Burroughs meint mit ausdrucksloser Stimme: "So also endet Dave Kammerer." Und rät Lucien, sich einen guten Anwalt zu nehmen und sich der Polizei zu stellen. Nachdem Carr gegen fünf Uhr früh die Wohnung wieder verlassen hat, trauert Bill etwas um den Verstorbenen, denkt aber nicht daran, die Polizei zu rufen. Er würde nie jemanden verpfeifen!
Anfang 1946 zieht er bei Joan Vollmers in ihre große Wohnung in der 115th Street ein. Kerouac und Ginsberg, die ebenfalls dort wohnen, finden, daß Bill und Joan recht gut zueinander passen würden und die beiden verstehen sich tatsächlich, trotz Burroughs homosexueller Neigung, sehr gut. Er wird nicht nur ihr Liebhaber, sondern auch ihr Hauslehrer und Analytiker. Aber auch die anderen Bewohner landen auf seiner Couch und so erfüllt sich ein kleines Stück von seinem Traum Psychoanalytiker zu werden. An manchen Nachmittagen gehen seine Assoziationssitzungen mit Jack und Allen in Sketche über, in denen sich Kabarett mit Psychodrama vermischte. Sie schlüpfen in andere Persönlichkeiten mit verschiedenen Sprachen und oder vulgärstem Südstaaten dialekt und konnten diese Sketche noch zwanzig Jahre später vor eine Kamera gestellt, als hätten sie sie erst am Abend davor gespielt.
Seine Kontakte zum Verbrechermilieu werden immer enger und seiner Drogenabhängigkeit immer stärker. Der Kontakt man der "Unterirdischen" in Joan Vollmers Wohnung und der "Unterwelt" wird ein gewisser Herbert Huncke. Huncke ist um die vierzig, hat mehrere Jahre Knast hinter sich und daher auch noch immer gute Verbindungen, um die es besonders Burroughs geht. Als Bill sechszehn Kisten mit Morphintartrat absetzen möchte vermittelt ihm Huncke potentielle Käufer. Bei der Übergabe dann läßt sich Burroughs auch seinen ersten Morphiumschuß setzen und nimmt 12 Kisten wieder mit nach Hause spritzte zunächst nur aus Neugier, dann später wann immer er etwas in die Finger bekam. Huncke erinnert sich: "Ich hatte das Gefühl, daß er die Sache vom rein wissenschaftlichen Standpunkt anging. Seine Abhängigkeit war in erster Linie ein Forschungsergebnis." Burroughs beschreibt den Übergang in die Sucht: "Man wird zum Drogenabhängigen, weil man keinerlei Motivation in irgendeine andere Richtung verspürt. Der Junk gewinnt, weil man sonst nichts hat.", "Junk ist kein Nervenkitzel. Es ist eine Lebensart." Mit der Zeit beschafft er sich Kontakte zu mehreren Heroindealern und Ärzten, die Drogen auf Privatrezepten verschreiben. Joan Vollmer ist 22 Jahre alt und benzedrinsüchtig. Das Verhältnis zwischen ihr und Bill ist immer enger geworden. Er sah in ihr die Gescheiteste der Gruppe, schätzte ihren trockenen Humor und ihre psychologische Klarheit. Stundenlang liegen sie auf ihrem riesigen Bett und unterhalten sich. "Wir hatten, im nachhinein betrachtet, sehr tiefschürfende Gespräche über sehr grundlegende Dinge", erinnert er sich später. Über seine Potenz meint sie: "Da bist du nun angeblich eine Schwuchtel und bist doch im Bett so gut wie ein Lude."
Joan entwickelt ein überscharfes Gehör und erzählt beispielsweise von den Gesprächen des irischen Paares, daß unter ihnen wohnt. Die beiden streiten sich häufig und wissen außerdem, daß in Joans Wohnung Drogen genommen werden und überlegen, ob sie nicht die Polizei einschalten sollen. Eines Tages hört Joan sie wieder streiten und diesmal will der Mann seine Frau erstechen.
Jack und Allen rennen hinunter und es stellt sich heraus, daß die Wohnung unter ihnen schon längere Zeit leer steht. Joan hatte also nur Halluzinationen unter dem Einfluß von Amphetaminen gehabt.
Im April 1946 wird Burroughs wegen Unterschriftenfälschung auf Privatrezepten und unerlaubtem Drogenbesitz. Der plötzliche Entzug bringt ihn fast um. Joan bezahlt die Kaution und Bill müht sich ab, um wieder an Geld für neuen Stoff zu kommen. Die Verhandlung findet im Juni 1946 statt und, da es das erste Mal ist, erhält er nur eine Bewährungsstrafe von vier Monaten unter der Auflage, daß er den Sommer bei seinen Eltern in St. Louis verbringt.
Joan, der ihr übermäßiger Benzedringenuß immer mehr zusetzt, bemerkt kaum, daß ihre Mitbewohner nach und nach ausziehen. Als Kerouac sie im Oktober besucht, fand er sie "total druchgedreht auf Benzedrin" vor. Sie zog sich aus und fragte: "Wer bist du, Fremder?". Einen Monat später las man sie auf dem Time Square auf und brachte sie nach Bellevue. Burroughs kehrte erst im Dezember zurück nach New York und zog mit ihr in eine kleine Pension am Time Square, wo sie ihr erstes Kind zeugen (William Burroughs III kommt im Juli 1947 zur Welt). Weihnachten verbringt Burroughs bei seinen Eltern und reist dann gleich weiter um in Texas ein Häuschen für seine kleine Familie zu suchen. Joan fährt nach Neuengland, um dort ihre kleine Tochter abzuholen und Bill zu folgen.
Burroughs hatte eine kleine entlegene Farm im Bayouland von Osttexas gekauft. Es gab weder fließendes Wasser, noch eine Heizung, noch Strom. Anfangs pflanzte Bill auf den knapp 40 Hektar Zitrusfrüchte und hoffte, damit Geld zu machen. "Hier brauchst du das Geld bloß von den Bäumen zu pflücken", schrieb er an Ginsberg. Aber schon kurz nach ihrem Einzug im Januar 1947 kommt er zu dem Schluß, doch lieber Marihuana anzubauen, was er auch tut. Einige Zitrusbäume bleiben zur Tarnung. Eine große verfallene Scheune und daneben ein etwas kleineres Haus, daß jedem sein eigenes Zimmer bot: William, Joan, der vierjährigen Julie und Herbert Huncke, der zu ihnen gezogen war, nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde. Burroughs hatte bald seinen eigenen eingefahrenen Tagesablauf. Er steht morgens auf und liest in seinem Zimmer. Erst gegen halb elf taucht er auf, um nach der Post und der Zeitung zu sehen. Er trägt meistens eine Khakihose, ein Khakihemd, einen Filzhut, eine schwarze Weste mit Schlüsselkette und Arbeitsstiefeln. Mittags ist er mit der Jagd auf Skorpione und Schießübungen beschäftigt. Gegen fünf Uhr gibt es Essen. Oft hört man Musik. Burroughs hat eine beeindruckende Plattensammlung. Bill und Joan schlafen getrennt und haben auch sonst wenig körperlichen Kontakt.
Am 21. Juli 1947 kommt ihr Sohn William Burroughs III. zur Welt in einem 27 Meilen entfernten Krankenhaus. Joan stillt nicht, da sie wußte, daß ihre Milch voller Amphetaminen sein muß, die sie während der Schwangerschaft täglich konsumiert hat. Der kleine Billy kam also mit einer Drogenabhängigkeit auf die Welt und verbrachte seine ersten Tage gleich auf Entzug. Huncke übernimmt nach und nach die Hauptarbeiten der Farm, da Burroughs und Joan die meiste Zeit mit sich selbst und ihren Drogen beschäftigt sind. Er schleppt Tag für Tag Wasser und Feuerholz heran, kauft für Joan Benzedrin-Inhalatoren in Großhandelsmengen, Schmerzmittel für Bill, Nembutal für sich und Marihuanasamen für die Farm.
Neal Cassady und Allen Ginsberg treffen am 19. August 1947 auf der Farm ein. Zwischen Ginsberg und Cassady spielt sich gerade ein mittleres Drama ab und der frustrierte, eifersüchtige Allen heuert am 07. September auf einem Schiff nach Dakar und wieder zurück an. Die Reise würde insgesamt 50 Tage dauern. Cassady bleibt bei Burroughs und ist privat bestenfalls geduldet, während seine tatkräftigen Arme bei der Marihuanaernte sehr gebraucht werden. Bill braucht ihn ebenfalls, um die Ernte nach New York zu schaffen. Der Wagen mit Cassady am Steuer, Burroughs auf dem Beifahrersitz und Huncke zwischen den Seesäcken mit frischen Marihuana, macht sich am 30.September auf den dreitägigen Weg nach New York. Leider laufen die Geschäfte sehr viel schlechter als angenommen und bringen gerade mal 100 Dollar.
Einige Zeit später, wieder zurück auf ihrer Farm in Texas, lieben sich Bill und Joan im Auto und werden von der Polizei überrascht. Er verliert für ein halbes Jahr seinen Führerschein und bleibt im Gefängnis, bis seine Eltern die 173 Dollar für seine Strafe schickten. Burroughs beschließt, seine Zelte abzubrechen und schreibt an Allen: "Ich verabscheue Einschränkungen jeder Art und habe vor, mich irgendwo niederzulassen, wo ich bei der Polizei noch ein unbeschriebenes Blatt bin."
Aber erstmal bleibt er noch und ist fast ständig auf Drogen. Eines Tages bricht er zusammen und Joan bringt den Bewußtlosen ins Leben zurück. Bill begibt sich daraufhin freiwillig in die Federal Narcotic Farm in Kentucky, um eine Entziehungskur zu machen. Erst im Februar 1948 kehrt er zurück zu Frau und Kindern. Das Leben auf der Farm erscheint ihm immer enervierender und so verkauft er das Grundstück und sie ziehen nach Algiers, einem Vorort von New Orleans. Wieder hat das Paar getrennte Schlafzimmer, aber sie reden manchmal stundenlang über ihre intellektuellen Interessen. Joan bemüht sich trotz ihrer eigenen Drogensucht eine gute Hausfrau zu sein, kocht zweimal täglich Essen und putzt nachts, wenn sie nicht schlafen kann, das ganze Haus. Doch am 03. Januar 1949, als Helen Hinkle, die bei den Burroughs unterkriecht, findet die beiden kleinen Kinder recht verwahrlost vor. Julie biß sich selbst und Billy, der den Spitznamen "kleines Biest" hatte, rannte nackt durch den Garten.
Burroughs ist schnell genervt durch den ungeladenen Dauergast und schreibt an ihren Mann Al, daß er doch bitte langsam seine Frau abholen kommen solle. Am 10. Januar machen sich dann Al, Neal, Jack und LuAnne von New York aus auf den Weg nach Algiers und bleiben dort eine Woche. Bill führt auf dem Grundstück und in seinem baufälligem Haus herum und präsentiert ihnen stolz seine Waffensammlung. Wenn er nicht in seinem Schaukelstuhl sitzt oder sich auf der Toilette einen Schuß setzt, schießt er mit einem Luftgewehr nach Joans leeren Benzedrin-Inhalatoren. Neal bittet Burroughs um etwas Geld, doch der hat kein Verständnis für diesen "sinnlosen Trip" der kleinen Gruppe und sieht es garnicht ein, diesem "halbverrücktem Cowboy" etwa zu leihen. Als sie dann wieder aufbrechen und weiter durchs Land ziehen wollen, bleiben die Hinkles in New Orleans und Jack, Neal und LuAnne fahren allein ab.
Als in New Orleans ein Verfahren, wegen unerlaubtem Waffen- und Drogenbesitzes, gegen ihn eingeleitet wird, zieht er im September 1949 nach Mexico City, um dort mindestens fünf Jahre zu verbringen, bis seine Strafe verjährt sein wird. Die Burroughs nehmen sich eine Wohnung in der Cerrada de Medellin 37, in einem gutbürgerlichem Viertel. Bill fühlt sich hier sofort wohl: "... eine Stadt mit einer Million Einwohner. Die Luft war so rein wie Minerarlwasser, und das Blau des Himmels hatte jene so besondere Tönung, die so gut paßt zu kreischenden Geiern, Blut und Sand - das nackte, drohende, gnadenlose Blau von Mexico." Und an Jack Kerouac schreibt er: "Ich komme mir vor, als hätte ich eine Zwangsjacke ausgezogen. Man merkt gar nicht, wie sehr einem die Staaten auf den Geist gehen, bis man raus ist und den Unterschied spürt." Kerouacs romantischen Illusionen entgegenstellend bemerkt er: " Es ist ein orientalisches Land, das 2000 Jahre Krankheit und Armut und Erniedrigung und Dummheit und Sklaverei und Brutalität und psychischen wie physischen Terrorismus reflektiert. Mexico ist finster und düster und chaotisch, es herrscht jenes spezielles Chaos des Traums. Ich persönlich mag es, aber es ist nicht jedermanns Geschmack."
Hier, in einem Land, wo ein Polizist nicht mehr Beachtung als ein Straßenbahnschaffner bekommt und man ohne Probleme an fast jede Art von Drogen und Waffen kommt, und sie auch in der Öffentlichkeit nicht verbergen muß. Wo es schmuddelige Schwulenbars, hübsche Jungs ("wie exotische Tiere von blendener geschlechtsloser Schönheit") und lepröse Straßenverkäufer gibt, fühlt er sich zu Hause. Durch einen neuen Freund, Old Dave, kommt er an größere Mengen Drogen und ein seine Sucht wird immer stärker. Zwar geht er immer wieder mal auf Entzug und wendet sich in diesen Zeiten verstärkt dem Alkohol zu, aber da es ja hier so leicht war an Heroin zu kommen, stieg er doch nach den kurzen Pausen wieder auf Drogen um. Joan hat es etwas schwerer, den in der ganzen Stadt sind keine Benzedrin-Inhalatoren von Smith, Kline and French aufzutreiben. Also war sie gezwungen zu entziehen und überstand die Schmerzen nur mit Schilddrüsen-Tabletten. Bald fand sie jedoch Geschmack am Tequila und begann schon morgens um 8 Uhr zu trinken.
Im Juli 1951 erklärt Burroughs: "Ich muß raus aus der Stadt" und bricht mit dem jungen homosexuellen Marker auf und übernimmt auch alle Kosten. "Ich verlange nichts weiter, als daß du nett zu Papa bist, sagen wir zweimal die Woche. Das ist doch nicht übertriegen, oder?" Der Auslöser für die Reise war ein wissenschaftlicher Bericht über ein Halluzinogen mit dem Namen "Yage", das im Dschungel nahe der Grenze zu Peru zu finden sein soll. Sie flogen nach Panama City, von dort aus mit einer kleinen Maschine nach Quito und nach einer vierzehnstündigen Fahrt in einem überbelegtem Halbtonner erreichten sie endlich Puyo. Ihr Ziel ist das im dichten Dschungel gelegene Lager des Botanikers Dr. Fuller. Nach weiteren zehn Stunden führerlosem Fußmarsch erreichten sie die Hütte von Dr. Fuller, der den beiden seltsamen Fremden keinerlei Informationen gibt.Während seiner Abwesenheit tauchen Luicen und Allen im August bei Joan in Mexico City auf und ziehen mit ihr um die Häuser. Als Burroughs und Marker erfolglos von ihrer Suche nach Yage heimkehren, sie die beiden schon wieder abgereist.
Einige Tage nach seiner Rückkehr, am 06. September 1951 überkommt ihn eine schwere Depression, als er Nachmittag an einem Karren auf der Straße ein Messer schleifen läßt: "Als ich die Straße hinab auf seinen Karren zuging, wurde das Gefühl von Verlust und Trauer, das schon den ganzen Tag auf mir gelastet hatte, daß ich kaum hatte atmen können, so stark, daß mir die Tränen übers Gesicht liefen." Geht zurück nach Hause und betrinkt sich mit Joan. Abends besuchen sie einen Freund in der Calle Monterrey 122 und tranken dort weiter. Aus der Stimmung heraus meint Bill: "Ich nehme an, es ist Zeit für unsere Wilhelm-Tell-Nummer". Sie hatten aber in Wahrheit noch nie etwas in dieser Art getan. Joan setzt sich kichernd ein Wasserglas auf den Kopf und sagt: "Ich kann das nicht mit ansehen - du weißt, ich kann kein Blut sehen.". "Ich zielte ganz genau aus einer Entfernung von zwei Metern auf den oberen Rand des Glases", erinnerte sich Burroughs einige Jahre später. Bill setzt an und schießt. Im nächsten Moment liegt das Glas völlig intakt am Boden und Joan kippt in ihrem Sessel nach vorn. In ihrer Stirn sah man das Einschußloch. Es dauert einen Augenblick, bis alle Anwesenden begriffen haben, was geschehen ist. Sein Freund Lewis Marker sagte in die Stille: "Bill, ich glaube, du hast sie getroffen." Burroughs schrie: "Nein" und "Joan, Joan, Joan" und brach weinend neben ihr zusammen. Jemand ruft einen Krankenwagen und die Polizei. Auf die Frage, was ihm in nach dem Schuß so durch den Kopf ging, antwortete er viele Jahre später: "Lewis Adelbert Marker war anwesend, und ich sagte: `Ruf meinen Anwalt an. Hol mich aus dieser Situation raus.´ Ich war, wie die Franzosen sagen, `bouleversé´. Was hier passiert ist, ist was Furchtbares, aber ich muß meinen Arsch aus dieser Situation retten. Mit anderen Worten, was mir durch den Kopf ging, war: Ich habe meine Frau erschossen; das ist furchtbar; aber ich werde über mich nachdenken müssen. Es war ein Unfall." Sein Anwalt, der ein Experte für solche Fälle war, schaffte es mit Bestechungsgeldern und einer gut eingepaukten, einheitlichen Aussage der Zeugen ( Burroughs habe die Waffe vorführen wollen, hat die Sicherung zurückgeschoben, um festzustellen, ob sie geladen sein, da hat sich der Schuß gelöst ), daß Bill nach nur dreizehn Tagen Haft das Gefängnis gegen Kaution wieder verlassen kann. Sein Bruder Mort kommt aus Chicago angereist und organisiert für Joan ein Begräbnis auf dem amerikanischen Friedhof von Mexico City. Er nimmt den kleinen Billy mit, der bei seinen Großeltern wohnen soll. Joan Eltern holen ihre Enkelin Julie ab. Sie bewahren Burroughs gegenüber nur mühsam Haltung. Joans Mutter zittert vor Zorn: "Ich hoffe, Bill Burroughs kommt in die Hölle und bleibt dort.
Kurz nach dem Unglück erhält er aus New York die Nachricht, daß Ace Books sein Manuskript "Junkie" herausbringen will. Mit der Arbeit hatte er Anfang 1950 begonnen und es kapitelweise an Ginsberg geschickt. Der Verlag zahlt ihm einen Vorschuß von 1000 Dollar.
Im Herbst 1952 trifft Jack Kerouac in Mexico City ein und findet einen eifrig schreibenden Bill an ("ein verrücktes Genie in einem mit Papieren übersätem Zimmer"). Er beschäftigt sich mit Studien über die Mayakultur, besonders deren Methoden des psychologischem Terrors. Seit Joans Tod hat er einen starken Drang zu schreiben. Es ist für ihn schon fast eine Art Therapie: "Ich sehe mich zu dem erschreckenden Schluß gezwungen, daß ich ohne Joans Tod nie Schriftsteller geworden wäre... Ich lebe mit der ständigen Bedrohung der Besessenheit und dem ständigen Bedürfnis, vor dieser Besessenheit, dieser Kontrolle, zu fliehen. So hat mich Joans Tod in Kontakt mit dem Eindringling gebracht, dem Häßlichen Geist, und mich in einem lebenslangen Kampf manövriert, in dem ich keine andere Wahl habe, als mich da herauszuschreiben.". Und er erklärte: "Schreiben als Immunisierung. Sobald etwas aufgeschrieben ist, verliert es die Macht, einem unverhofft zusetzen zu können; genau wie ein Virus seinen Vorteil einbüßt, sobald sich wachsame Antikörper gebildet haben als Reaktion auf ein geschwächtes Virus. Ich erlangte also eine gewisse Immunität gegen weitere riskante Abenteuer dieser Art, indem ich meine Erfahrungen aufschrieb." Burroughs leidet noch immer sehr unter Joans Tod und durch Jack Vorliebe für Marihuana und Heroin befürchtet er, wieder Probleme mit der Polizei bekommen zu können. Als das endgültige Urteil zu seinem Fall im Dezember noch immer nicht ergangen ist, und er erfährt, daß er weiterhin Bestechungsgelder zahlen müßte, um weiterhin auf freiem Fuß zu bleiben, beschließt er zu fliehen. Jack Kerouac fühlte sich ungeheuer allein, als Burroughs abreiste: "Burroughs ist endlich fort - drei Jahre Mexiko - und hat alles verloren, seine Frau, seine Kinder, sein Erbe - Ich habe ihn in seinem schimmeligen Zimmer, wo er sich ständig M gedrückt hatte, packen sehen - Traurige schimmelige Lederkoffer - alte Holster, alte Dolche - ein Schnappschuß von Huncke - eine Derringer, die er dem sterbenden alten Garver schenkte - Medizin, Drogen - das letzte von Joans Gewürzen, Majoran, alles frisch verschimmelt, seit sie gestorben ist & nicht mehr kocht - die Schuhe des kleinen Willie - & Julies schimmelige Schultasche - alles verloren, Staub & der magere tragische Bill eilt davon in die einsame Nacht - ach, Seele - er wirft in seine Tasche schließlich noch ein Bild von Lucien & Allen - Lächelte, & ging."
Ein Freund bringt ihn noch im Dezember 1952 illegal über die Grenze in die USA. Später hört er, daß in Abwesenheit gegen ihn verhandelt wurde und als Strafe zwei Jahre mit Bewährung ausgesprochen wurden. Weihnachten verbringt er gemeinsam mit seinen Eltern und seinem Sohn in Palm Beach. Seine Eltern haben dort ein Geschäft eröffnet, in dem es Gartenmöbel, Spieldosen und Vögel aus Porzellan zu kaufen gibt. Alleine bricht er im Januar 1953 nach Panama City auf. Von dort aus weiter nach Bolivien. Allen Ginsberg erhält einen Brief aus Bogotá, in dem Bill ihm von seiner Ankunft und einem glücklichen Zusammentreffen erzählt: "Mein Hotelzimmer ist ein fensterloser Verschlag... mit rohen Bretterwänden, und das Bett ist zu kurz. Fühlte mich derart deprimiert, daß ich lange Zeit wie gelähmt auf dem Bett hockte. Dann ging ich raus in die dünne kalte Luft, um irgendwo etwas zu trinken, und ich dankte Gott, daß ich nicht suchtkrank in diese Stadt gekommen bin.". Aber dann habe er in der dortigen Universität einen Dr. Richard Evans Schultes kennengelernt und der sei eine bekannte Autorität auf dem Gebiet halluzinogener Pflanzen. Die beiden Männer verstehen sich sofort und stellen fest, daß Schultes nur ein Jahr nach Burroughs in Havard studiert hatte. Schultes erklärt ihm, daß man diese Pflanze in den Urwäldern des Amazonas findet und die Indianer die zerstoßene Rinde in Wasser aufkochen. Sie glauben, die mehrere Stunden anhaltenden Visionen seien Mitteilungen körperloser Seelen aus der Geisterwelt. Hilfsbereit vermittelt ihn Schulte an einen Bekannten im Landesinneren. Im März erreicht er Puerto Limón und nimmt zum ersten Mal Yage, daß er von einem Medizinmann (einem brujo) im Tausch gegen Schnaps erhält. An Ginsberg schreibt er nach mehreren Yage-Einnahmen: "Es ist die potenteste Droge, die ich je genommen habe. Will sagen, sie sorgt für die totale Verwirrung der Sinne... Anders kann ich es, wie gesagt, nicht nennen. Es handelt sich dabei nicht um den chemischen Auftrieb von C, die asexuelle schreckliche klare Stasis von Junk, den pflanzlichen Alptraum des Peyotl oder die komische Albernheit von Gras. Es ist eine wahnsinnige überwältigende Vergewaltigung der Sinne."
Mitte August 1953 ist stattet er seinen Eltern und dem kleinen Billy einen kurzen Besuch ab. William wirkt recht unheimlich auf seine Eltern, die ihm aber trotz allem monatlich die 200 zahlen, in der Hoffnung, ihn somit vor kriminellen Aktivitäten zu bewahren. Er macht sich auf den Weg nach New York und zieht dort bei Ginsberg ein. Zwei Koffer mit Yage dabei. Burroughs glaubt, in Allen endlich seinen "Geliebten" gefunden zu haben, aber Burroughs will mehr, als eine sexuelle Beziehung. Ginsberg beschreibt das so: "Bill wollte eine Beziehung, in der alles erlaubt war, um eine totale telepathische Vereinigung der Seelen zu erzielen." Burroughs nennt diesen Vorgang "Schlupp". Den Sex empfindet Allen schon manchmal recht schwierig, da Bills männliche Selbstbeherrschung einer kichernd-passiven Weiblichkeit weicht und Burroughs ihn drängte, doch richtig mit ihm zusammen zu ziehen. Ginsberg befürchtet eine Wiederholung des Krammerer-Carr-Dramas und eines Herbsttages, als sie an der Nordwestecke der Kreuzung East Seventh Street und Avenue B standen, platzt Allen ungeduldig heraus: "Ich will deinen häslichen alten Schwanz nicht." Bill ist tief getroffen, aber klug genug, weiteren Spannungen aus dem Weg zu gehen. Er reist im Dezember ab, um sich mit einem Freund in Rom zu treffen.
Durch einige Bücher, die er in dieser Zeit liest, wird er angeregt, nach Tanger zu fahren. In den Romanen von Paul Bowles hört sich diese Stadt so an, als wäre sie für seinen Lebensstil geradezu maßgeschneidert. Der Schriftsteller Robert Ruark bemerkte einmal, verglichen mit Tanger sei Sodom ein Gemeindepicknick und Gomorrha eine Versammlungsort von Pfadfinderinnen gewesen. Von 1946 bis 1956 waren die 225 Quadratmeilen um Tanger eine von acht Staaten regierte internationale Zone, in der die Schmuggelei geduldet wurde. Doch bei seiner Ankunft war Burroughs etwas enttäuscht, besonders von seinen Landsleuten, auf die er dort trifft: "Die abscheulichsten Typen, die das Land der Freien hervorbringt, sind in der amerikanischen Kolonie vertreten... schauerliches Panorama von krakeelenden, rotgesichtigen Säufern, die von Barhockern kippen und in die Ecke kotzen.", "Noch nie habe ich auf einem Haufen so viele Leute ohne Geld und ohne Aussicht auf Geld gesehen.".
"Mein Lieber, in Tanger kann dir alles passieren!", lautet ein beliebter Ausspruch. Burroughs nennt es die "Interzone". Burroughs lernt es zu schätzen, daß sich hier niemand in die Angelegenheiten des anderen mischt. Drogen konnte man ohne Schwierigkeiten bekommen und Vorurteile gegen Homosexuelle gibt es hier kaum. Außerdem: "Bei einer Auseinandersetzung mit einem Araber ist man als Amerikaner automatisch im Recht. Das gefällt mir, und ich nutzte es nicht aus. (...) Es ist schön zu wissen, daß die Polizei auf deiner Seite ist, wenn du Ärger hast.". Überhaupt ist das Bild der Polizei hier ein ganz anderes: " Es interessiert sie nicht, wie dein Sexleben aussieht, oder ob du Junk nimmst... sie sorgen nur für Ordnung (und das recht gründlich)..." Bald hat er auch einen jungen Geliebten, namens Kiki. Ein attraktiver, loyaler Spanier, gerademal achtzehn Jahre alt. Trotzdem fühlt er sich rasch einsam. Mit Kiki kann er keine intellektuellen Gespräche führen und auch sonst ist sein Bekanntenkreis eher dürftig. Er findet nun wieder stärkeres Gefallen am Rauschgift und er kauft Eukodall, ein in Deutschland hergestelltes synthetisches Morphium. Bald muß er sich schon alle zwei Stunden spitzen. Kiki pflegt ihn aufopferungsvoll während der Entzüge, die Bill mehrmals durchmacht, aber Burroughs wird immer unzufriedener mit dem Jungen, denn seine Gedanken wandern ständig zu Allen. An Kerouac schreibt er: "Ich dachte nicht, daß ich derart abhängig von ihm war. Die Entzugserscheinungen sind noch schlimmer als bei meiner Sucht nach Marker... Sag Allen, ich bekenne mich des Vampirismus und anderer Verbrechen wider das Leben schuldig. Aber ich liebe ihn, und nichts hebt diese Liebe auf."
Im September 1954 reist er nach New York. Doch Allen hält sich in Kalifornien auf und ist frisch verliebt. Burroughs besucht seine Eltern in Palm Beach, doch der ganze Wohlstandskitsch geht im auf die Nerven und er sehnt sich zurück nach Tanger. Im November ist er dann wieder zurück und mietet sich für 23 Dollar im Monat eine Vierzimmerwohnung in Kasbah. Er beginnt zu schreiben und spritzt sich Eukodol. Viele seiner Texte sind grotesk-obszön. Allen nimmt wieder Briefkontakt mit ihm auf. Für die Drogen geht sein ganzes Geld drauf und auch seine Schreibmaschine muß er verkaufen. Teile seines Manuskriptes sind schon geschrieben, doch er weiß, daß die Drogensucht ihm die Kräfte raubt. Immer öfter liegt er apathisch in seiner Wohnung: "Ich tat absolut nichts. Acht Stunden konnte ich die Spitze meiner Schuhe betrachten. Zu einer Handlung raffte ich mich nur auf, wenn das Stundenglas auslief. Wenn mich ein Freund besuchte, aber das kam seltener vor, denn wen oder was gab es da noch zu besuchen, saß ich da, und es berührte mich nicht, daß er in mein Gesichtsfeld trat, ein grauer Schirm, der immer leerer und matter wurde; es berührte mich nicht, wenn er mich wieder verließ. Wäre er auf der Stelle gestorben, hätte ich weiter dagesessen, meine Schuhe angesehen und darauf gelauert, seine Taschen zu durchsuchen." Außerdem leidet er zunehmend an Halluzinationen. Eines Abends, nachdem er sich sechs Ampullen gespritzt hatte, fand ihn ein Bekannter im Flur, "splitternackt auf der Klobrille (die ich aus der Verankerung gerissen hatte), ich spielte mit einem Eimer Wasser, sang Deep in the Heart of Texas und beklagte mich dabei, in einer ganz deutlichen Aussprache, über die hohen Lebenshaltungskosten - Es geht alles für Rasierklingen drauf.".
Eines Tages im März 1956 wird ihm langsam seine Lage bewußt, "wurde mir plötzlich klar, daß ich nichts tat. Ich starb.". Er läßt sich in eine Klinik in London einweisen und ist guter Hoffnung, endlich seine Sucht loszuwerden. Dr. John Dent behandelt seine Patienten mit Apomorphin, einem Morphiumderivat, daß den Stoffwechsel der Zellen regulieren soll. Während der ersten Tage der Therapie kann Bill nicht schlafen und Dr. Dent, verbringt oft die halbe Nacht bei ihm am Bett und sie unterhalten sich angeregt. Die Therapie scheint als erste von längerem Erfolgt zu sein. Zurück in Tanger zieht er in die Pension Villa Muniria mit Blick auf den Garten und den Strand, wo den ganzen Tag über sonnengebräunte Jungen Fußball spielen. Bill schreibt nun jeden Tag, treibt Sport und lebt auch sonst sehr gesund. Während des Schreibens raucht er meist einige Joints. Er verbessert die Beziehung zu seiner Schriftstellerkollegen Paul Bowles, dessen Romane in einst hierher geführt hatten.
Am 15. Februar 1957 trifft Jack Kerouac in Tanger ein. Bis auf die ständig ungekämmten Haare sieht Burroughs sehr gut gepflegt und gesund aus. Jack hilft ihm dabei, daß wirre Manuskript zu ordnen und tippt es für ihn ab. Was er da liest, verwirrt und zum Teil auch entsetzt darüber, was er dort liest: "die Jungen befriedigen sich selbst in dem dunklen und staubigen Schlafzimmer an Sommernachmittagen und aßen die Beeren, die aus Haut und Knochen des alten Mannes wuchsen, ihre Münder wurden purpurn, wie die von Huren, aber das machte ihnen nichts aus." Jack schlägt vor, das fertige Manuskript "Naked Lunch" zu nennen. Im März treffen Allen und sein Freund Peter Orlovsky in Tanger ein. Kerouac ist kurz davor abzureisen und sie beziehen sein Zimmer. Allen und Peter helfen nun an Jacks Stelle bei der Sortierung und Überarbeitung der Texte. Sechs Stunden sitzen sie täglich gemeinsam in einem Haufen von Papieren und Notizen..
Gegen Ende Mai ist das Manuskript fertig. Allen schrieb an Lucien: "Es ist ein prächtiges Stück Schreibe... die ganze Energie Bills u. Prosakunst plus unsere Organisation und Säuberung u. Struktur, jetzt hat es Kontinuität, ist entzifferbar und leserlich."
Im Januar 1958 verläßt Burroughs nach dreijährigen Aufenthalt Tanger, um in Paris Ginsberg wiederzusehen und einen Verleger für sein Buch zu finden. Auch er zieht am 16. Januar in das Hotel in der Rue Git-le-Coeur 9, das später auch das Beat-Hotel genannt wurde. Für 30 Dollar im Monat bekam man, wenn man der alten Madame Rachou gefiel, ein Zimmer. Das ganze Haus war sehr heruntergekommen und man konnte so ziemlich alles tun und lassen, was man wollte. Die Zimmer waren schäbig und sparsam möbliert. Bill gefällt die Atmosphäre im Hotel sehr. Der Umgang zwischen Bill und Allen ist seit langer Zeit wieder entspannter und sie versuchen gemeinsam für "Naked Lunch" einen Verleger zu finden. Olymipa Press, bei der sie sich die größten Chancen ausgerechnet haben, lehnt ab. Doch, in einigen amerikanischen Literaturzeitschriften werden einige Auszüge mit großem Erfolg veröffentlicht. Nun zeigt Maurice Girodias doch Interesse an Burroughs Manuskript und lädt ihn in ein teures Restaurant ein, um die Einzelheiten zu besprechen.
Als Allen im Juli 1958 nach New York zurückkehrt ist Bill tieftraurig. Doch schon einige Monate später hat er einen neuen Liebhaber - Ian Sommerville, einen intelligenten britischen Mathematiker, der ihm geradezu unheimlich ähnlich sah. Viele Jahre blieb er (mit einigen Unterbrechungen) Burroughs Lebensgefährte.
Im Oktober 1959 zerschnitt ein mit Bill befreundeter Maler, Brion Gysin, ein paar Ausgaben der New York Herald Tribunes und las die beliebig aus dem Stabel entnommenen Teile. Die aus den verschiedenen Schichten stammenden und zusammengefügten Textausschnitte amüsierten ihn derart, daß einige seiner Mitbewohner im Beathotel glaubten, er sei verrückt geworden. Nur Burroughs sah in den Cut-ups, wie Gysin sie nannte, etwas weit Wichtigeres als ein Spiel und fing an, damit herumzuexperimentieren: "Seiten mit Text werden ausgeschnitten und neu zusammengefügt, um neue Kombinationen von Wörtern und Bildern zu ergeben; das heißt, die Seite wird mit der Schere zerschnitten, für gewöhnlich in vier Teile, und dann in eine neue Ordnung gebracht... Ich nehme eine Textseite her, meine eigene oder von jemand anderem... und füge die Zeilen aneinander. Der zusammengesetzte Text wird dann von rechts nach links gelesen, halb der eine Text und halb der andere. Bei vielleicht einem von zehn funktioniert das, und den benutze ich dann." Ende Juli 1959 erscheint "Naked Lunch" mit einer Auflage von 10 000 Exemplaren bei Olympia Press in Frankreich. Den ersten Umschlag in lila und gelb entwirft Burroughs selbst. Zum gleichen Zeitpunkt wurde schon über die Rechte für den Verkauf in Deutschland, Italien und Amerika verhandelt. Das Buch sorgte für einigen Wirbel in der Literaturwelt und sollte noch einige Prozesse zu überstehen haben.
Im August 1961 fliegt er nach Boston. Allen hatte ihm von Professor Timothy Leary, der an der Harvard University lehrte und eine Versuchsreihe mit einem Halluzinogen leitete geschrieben. Bei dieser Droge handelte es sich um einen Pilz namens Psilocybe mexicana, den er durch Zufall währen einer Reise entdeckte. Für die Versuchsreihe wurde der Pilz nach einer chemischen Analyse synthetisch hergestellt und Psilocybin genannt. Burroughs, der in Learys Haus wohnt ist genervt von dessen Kindern und außerdem hat er sich auch erhofft, in Harvard auf neuartige Maschinen zu treffen, welche, die Gehirnströme messen, Stroboskope, Submersionstanks. Es kommt zu Konflikten zwischen ihm und Leary, der in Psilocybin die Erleuchtung und das Heilmittel für alle Übel der Gesellschaft sieht. Bill befürchtet, daß psychedelische Drogen zur Kontrolle über die sich nach Visionen sehnende Masse benutzt werden könnte, statt ihnen zu ihrer Emanzipation zu verhelfen. Immer skeptischer verfolgt er Learys Versuche mit Menschen (auch Sträflingen) und fliegt letztendlich zurück nach Paris.
Als es am 20. November 1962 in die amerikanischen Buchläden kam, war es schon ungelesen zur Legende geworden. Schon im ersten Monat werden 8 000 Exemplare in den USA verkauft. Doch dann wird das Buch in Bosten verboten. Ein Buchhändler, der es noch in seinem Laden verkaufte, wird verhaftet, doch bald schon wieder freigelassen. Gegen das Buch wird ein Verfahren wegen Obszönität eröffnet und die Verhandlung beginnt im Januar 1965. Bill, der sich zu dieser Zeit in den USA aufhält, bietet an zur Verhandlung zu kommen und auszusagen, aber es wurde ja nicht er angeklagt, sondern das Buch. Um zu verhindern, daß es auf Burroughs kriminelle Vergangenheit zu sprechen kam, wurde beschlossen, daß er lieber nicht erscheinen sollte. Einige Zeugenaussagen geraten bei diesem Prozess, in ihrem vehementen Einsatz für die Freiheit des Wortes, in die Nähe unfreiwilliger Komik. Am 21. März 1965 nennt der Richter William Brennan die Kriterien für Obszönität, die erfüllt werden müssen: Das Material muß in seiner Gesamtheit angetan sein, Lüsternheit zu erregen. Es muß in seiner Beschreibung und Darstellung von sexuellen Tatbeständen die in der breiten Öffentlichkeit geltenden Maßstäbe verletzen. Das Material ist ohne jeglichen sozialen Wert. Daraufhin befinden fünf der sieben Richter "Naked Lunch" als nicht obszön.
Zwei Dinge zog die Zensur-Diskussion mit sich. Zum einen wurde William Burroughs ein weltbekannter Schriftsteller und zum anderen war es ein Meilenstein in der Geschichte des Verlagwesens. "Naked Lunch" war das letzte literarische Werk, daß vom Zoll oder einer bundesstaatlichen Behörde beschlagnahmt wurde. Allen Ginsberg formulierte: "Das Wort war befreit".
Burroughs schreibt die Nova-Triologie: "The Soft Machine", "The Ticked that Exploded" und "Nova Express". Nichtmenschliche Kräfte aus dem äußeren Weltraum (Nova-Mob) kontrollieren durch Viren die Menschen. Der Nova-Mob beherrscht die Erde, indem er bei den Menschen Süchte hervorruft. 1967 zieht Bill nach London in das Apartment 22, Nummer 8 Duke Street (St. James´s) und experimentiert weiter mit Cut-ups, Tonbandgeräten und Skizzenbüchern herum. Im August 1969 beendet er "Die wilden Boys". Er pflegt kaum noch Kontakte zur Außenwelt und verbringt die meisten Tage mit sich allein.
Im Sommer 1973 bekommt er Besuch von Allen Ginsberg, der ihm erzählte, daß das New York City College auf der Suche nach einem Schriftsteller war, der zwischen Februar und Mai 1974 Vorlesungen zum kreativen Schreiben halten könnte.
Burroughs kam im Februar 1974 in die USA zurück. Ginsberg macht ihn mit James Grauerholz bekannt, der sein Amanuensis (Sekretär) und Gefährte wird. Für jede Vorlesung benötigt er sechs bis acht Stunden Vorbereitung. Ein Freund berichtet später: "Burroughs war in London sehr paranoid geworden und es war großartig mitzuerleben, wie er wieder zum Leben erweckt wurde. Bei seiner ersten Lesung in New York war ich dabei. Man konnte beobachten, wie sein Gesichtsausdruck sich veränderte, als er merkte, daß das Publikum ihn hören wollte."
In den ersten Monaten lebt er in einem Loft am Broadway. Dann zog er in die Franklin Street 77 in Lower Manhatten, wieder ein Loft, ohne Fahrstuhl.
Gegen Ende 1975 findet er den "Bunker" in der Bowery, im Herzen der Lower East Side, der sein Hauptquartier in New York bleiben wird. In dem elegantem roten Backsteingebäude wohnt er im zweiten Stockwerk in einem großen, fensterlosem Dreizimmer-Apartment, das einst der Umkleideraum einer Turnhalle gewesen war. Er investierte über 7 000 Dollar in die Renovierung und einige Umbauten. Den Fußboden strich er weiß. "Als ich einzog, war er grau wie ein Kriegsschiff und sah schmuddelig aus. Selbstverständlich braucht man hier drinnen soviel Licht wie möglich, weil es keinen natürlichen Lichteinfall gibt, und ich war mit dem Ergebnis sehr zufrieden. man hat hier natürlich keine Aussicht, aber was hatte ich denn in der Franklin Street für eine Aussicht. Da konnte ich mir ein paar Häuser anschauen. Außerdem habe ich vier Türen zwischen mir und der Außenwelt, und während des Tages habe ich Leute da unten. Die Stellung ist also so gut wie uneinnehmbar." Niemand kommt ohne telefonische Anmeldung in den Bunker.
Am 05. Februar 1976, Burroughs zweiundsechzigstem Geburtstag, kam Ian Sommerville bei einem Autounfall ums Leben.
Er schreibt wieder täglich an die sechs Seiten und an manchen Tagen sogar fünfzehn. "Ich verbringe einen Großteil meiner Zeit allein. Ich bin nicht besonders gesellig. Ich mag keine Partys oder irgendwelche Treffen ohne besonderen Anlaß. Je größer sie sind, desto verfehlter sind sie auch. Solche Partys finden hier nicht statt. Man wacht am nächsten Morgen auf und schätzt den entstandenen Schaden an seinem Besitz. Ich habe ein paar enge persönliche Freunde, die ich regelmäßig sehe. Ich treffe nicht sehr viele Leute und gehe auch nicht häufig aus." Sein Drogenkonsum beschränkt sich meist nur auf Marihuana und ein wenig Alkohol hier und da. James Grauerholz ermutigte ihn immer wieder zum schreiben und begleitet und unterstützt ihn auch während der sechs Jahre, in denen er an "Die Städte der Roten Nacht" arbeitet. Erst 1980 bringt er den Roman zuende.
In den nächsten Jahren hielt er viele Lesungen ab, knüpfte Kontakte zu anderen Künstlern, wie zum Beispiel Andy Warhol, Keith Haring, Frank Zappa und David Bowie. Auch mit Allen Ginsberg traf er sich nun wieder öfter. Ende der achtziger Jahre spielt er kleine Rolle in der Verfilmung des Romans "Drugstore Cowboy" (von James Fogle, mit Matt Dillon und Kelly Lynch in den Hauptrollen). Auch die Malerei beginnt ihn stark zu interessieren und neben seinen Texten und Romanen produziert er auch einige Gemälde. 1981 zieht er nach Kansas. Als Allen Ginsberg am 5. April 1997 überraschend an Leberkrebs stirbt, bricht für ihn eine Welt zusammen. Allen schien für ihn, Bills gesamtes Leben betrachtet, immer der wichtigste Mensch und Vertraute gewesen zu sein.
Am Freitag, den 1. August 1997, in seinem Häuschen in Kansas, verspürt er plötzlich heftige Schmerzen in seiner Brust. Ein Freund fährt in sofort ins Lawrence Memorial Hospital, aber kurz nach dem Eintreffen dort erleidet er einen Herzanfall und fällt ins Koma. Die ganze Nacht wirft er sich im Bett hin und her, als würde er sich gegen ein unsägliches Monster wehren. Am nächsten Morgen, Samstag, der 2. August 1997 stirbt William S. Burroughs um 7:55 (New Yorker Zeit), ohne wieder zu Bewußtsein gekommen zu sein. Seine sterblichen Überreste wurden in seinem Geburtsort, St. Louis, im Familiengrab neben seiner Mutter beigesetzt.
Sein letzter Tagebucheintrag vom 1. August 1997:
"Liebe? Was ist das? Das natürlichste Schmerzmittel, das es gibt."
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