| Autor: | Altvater, Elmar | Titel: | Das Ende des Kapitalismus wie wir ihn kennen | Verlag: | Westfälisches Dampfboot | Ort: | Münster | Jahr: | 2006 | Auflage: | 3. | Signatur: | A 050 | Link: | | Reihe/Untertitel: | Eine radikale Kapitalismuskritik | Aufstellung: | Sachbuch | Biographie aufgestellt unter: | | Suchgebiet: | Politik/Zeitgeschichte Soziologie | Erstauflage: | | dt. Erstauflage: | | ISBN: | 3 89691 627 0 | Bemerkungen: | | Originaltitel: | | Verlagsangaben: | Anders als der reale Sozialismus bricht der Kapitalismus nicht zusammen - es sei denn durch "äußere Anstöße von extremer Heftigkeit" und eine "glaubwürdige Alternative im Innern". Dieser Einschätzung des französischen Historikers Fernand Braudel folgt Elmar Altvater in seinem neuesten Buch. Die Dynamik der modernen Gesellschaften verdankt sich der "Dreifaltigkeit" von europäischer Rationalität der Weltbeherrschung, kapitalistischen sozialen Formen und fossilen Energien. Dies ist die Grundlage der "geo-ökonomischen" Globalisierung und des "geopolitischen" neuen Imperialismus, einer Allianz von marktgläubigem Neoliberalismus und auf militärische Macht setzendem Neokonservativismus. Doch ist der Kapitalismus nicht stabil und krisenfrei. Die Finanzkrisen der vergangenen Jahrzehnte sind für wachsende Ungleichheit, ja für Armut und Elend in der Welt verantwortlich. Dass die Begrenztheit von fossiler und nuklearer Energie ein äußerer Anstoß von besonderer Heftigkeit ist, haben die Hurrikane Katrina und Rita zu Bewusstsein gebracht: Eine kapitalistische Gesellschaft ohne Öl versinkt im Chaos. Im Innern der Gesellschaft reifen aber "glaubwürdige Alternativen" heran: Die Ansätze einer "solidarischen Ökonomie" und ökologisch nachhaltigen Gesellschaft. Der Kapitalismus, wie wir ihn kennen, gerät an ein Ende. | Angaben zu Autorin/Autor: | Elmar Altvater, Dr. oec. publ., geb. 1938, Professor für Politikwissenschaft an der FU-Berlin und Redaktionsmitglied PROKLA; zahlreiche Veröffentlichungen zur Frage der kapitalistischen Entwicklung, zur Staatstheorie, zur Entwicklungspolitik, Schuldenkrise und zum Zusammenhang von Ökonomie und Ökologie; u.a. Der Preis des Wohlstands 1992, zusammen mit Birgit Mahnkopf: Gewerkschaften vor der europäischen Herausforderung 1993 und Grenzen der Globalisierung 1996, 4. völlig überarb. und erweiterte Auflage 1999, 6. Auflage 2004; sowie Globalisierung der Unsicherheit. Arbeit im Schatten, Schwarzes Geld und informelle Politik 2002; Mitherausgeber von Vernetzt und verstrickt 1997. | Rezensionen: | Eine Revolutionstheorie für das 21. Jahrhundert
Globalisierungskritik ist zum Gemeinplatz geworden. Aber unbeeindruckt von Zahlen, predigen "Reformer" und ihre Ökonomen "freie" Weltmärkte, Deregulierung, Privatisierung, unbeirrbar im Glauben an Wachstum als Lösung aller Weltprobleme. Seit dreißig Jahren widerlegen Weltmarktkrisen und Überflussbevölkerungen, gigantische Kapitalkonzentrationen und Klimawandel das Dogma, aber es fehlt ein konsistentes Fundament für eine realistische Alternative. Hier setzt Elmar Altvaters neues Buch ein. Luzide und mit Leidenschaft geschrieben, vereint es historische, ökonomische, soziale und ökologische Dimensionen der Übergangskrise, an deren Anfang wir stehen.
Vor der Suche nach Alternativen steht die Kritik an der "autistischen" Orthodoxie der reinen "Marktwirtschaft". Altvater dechiffriert sie als den geistigen Überbau des Shareholder- und Finanzkapitalismus unserer Tage. "Befreit" von politischen Beschränkungen, diktieren die flüssigen Überschusskapitalien - die Schätzungen gehen von 40 bis 80 Billionen Dollar - der Realwirtschaft weltweit Renditen, wie sie nur in den Ausnahmezeiten außerordentlich steigender Produktivität erzielt wurden. Ein globales Geldimperium sitzt wie ein Vampir über den Produktionsgesellschaften.
Die Folge sind Sozialabbau, Privatisierung öffentlicher Güter, Sinken der staatlichen und mittelständigen Investitionskraft, Raubbau an Menschen und Natur. Mögen selbst Großspekulanten es inzwischen beklagen: Das globale System schein selbstläufig geworden zu sein. Und die weltweiten, aber disparaten Demonstrationen der "Überflüssigen" und Sozialstaatsverteidiger für "eine andere Welt" sind wenig mehr als der ohnmächtige Begleitchor einer multitude von Opfern ohne politische Repräsentation.
Ist die Frage nach Alternativen also obsolet geworden? Zu Krisen und Opposition muss, argumentiert Altvater mit Fernand Braudel, ein "äußerer Stoß von extremer Heftigkeit im Verein mit einer glaubwürdigen Alternative" kommen, damit eine neue Produktionsweise möglich wird. Dieser Stoß ist die Erschöpfung der fossilen Energien. In diesem Jahrzehnt hat die Welt-Ölförderung ihren Höhepunkt überschritten. Der Kampf um billiges Öl - und bald um Öl überhaupt - führt schon jetzt zu Kriegen, füttert den Terrorismus und stürzt die Schwellenländer in Schuldenkrisen.
Ein hoch konzentrierter Kapitalismus aber muss - so zitiert Altvater die Strategen der EZB - die steigenden Energiekosten auf die große Masse der Bevölkerung umwälzen, um das Wachstum der Global Player zu sichern. Das führt zu Lohnsenkungen und Sozialstaatsabbau, in anderen Weltgegenden zu absoluter Verarmung und einer Destabilisierung ganzer Gesellschaften. Allein die atomare Option würde einen Fortbestand der kapitalistischen Wirtschaft sichern - auf Zeit und mit unkalkulierbaren Kosten für Menschen und Natur.
Zukunftspolitik muss deshalb vor allem an "Alternativen zum fossilen Energieregime arbeiten, bereits heute oder allerspätestens morgen". Die solare Wende ist unvermeidlich, aber die Widerstände sind beträchtlich. Denn die Energien der Zukunft sind - "höchstwahrscheinlich", sagt Altvater vorsichtig - nicht mit der kapitalistischen Form kongruent. Sie kommen ohne die zentralisierten langen Ketten und Netzwerke der hoch konzentrierten Energiewirtschaft aus, fordern regionale Energieautonomie, dezentrale Wirtschaftsstrukturen und eine Verkürzung der Transportstrecken - kurz: die Deglobalisierung vieler Wirtschaftsaktivitäten.
Not tut deshalb eine Renaissance der Politik. Denn ein nachhaltiges Energieregime, der Aufbau neuer Infrastrukturen, die Re-Regionalisierung der Landwirtschaft - das alles sind "gesamtgesellschaftliche Aufgaben", die "eine Vielfalt von öffentlichen Gütern auf lokaler, nationaler und globaler Ebene" erfordern. Und damit einen initiierten, investierenden und steuersouveränen Staat, der sie gegen die Kräfte des Beharrens durchsetzt.
Altvaters Buch ist nichts weniger als eine Revolutionstheorie für das 21. Jahrhundert. Die solare Revolution - lächerlich? Wohl nur, wenn man Revolutionen alt politische Haupt- und Staatsaktion begreift und nicht als die "stillere, aber darum nicht minder gewaltige Umwälzung" der Produktivkräfte. Mit Kohle, Dampf und Werkzeugmaschinen sprengten die Bürger feudale Macht, eröffneten die Chance der Demokratie.
Auch die Energien des nachfossilen Zeitalters müssen von Bürgern befreit werden, damit sie zum Hebel neuerlicher Befreiung werden - und deshalb setzt dieses Buch, wie jede starke Theorie, seine Leser unter existenziellen Druck.
Mathias Greffrath in: DIE ZEIT 21. Dezember 2005 | Ausleihdatum: | | "Series": | | "Volume": | | "Loan Type": | | "Loan Name": | | "Loan Start Date": | | "Loan Due Date": | | "Purchase From": | | "Purchase Price": | | "Purchase Date": | | "Description": | | "Date added": | | Feld38: | |
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